Downshifting? Ehrensache!

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  • Text: Anette Graupe
  • Fotos: z.V.g. VCS autofrei leben

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2/4 Sinnbild: Club der Autofreien CAS

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3/4 Erste Atlantiküberquerung auf einem Solarboot mit Martin Vosseler

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Downshifting? Ehrensache!

Beat von Scarpatetti, «VCS autofrei leben»

Beat von Scarpatetti ist sich sicher: Der Klimawandel ist auch ein Kulturwandel. So sind vor allem die Kulturwissenschaften in der Pflicht, Position zu beziehen und den Klimawandel zu bekämpfen. Er selber macht den ökologischen Unsinn einfach nicht mit – und fährt zum Auftritt seines Orchesters mit Bahn und Schiff nach Griechenland.

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Den eigenen Handlungsspielraum nutzen

Von Hause aus ist Beat von Scarpatetti ein Bündner mit Granitkopf – und ein Changemaker, Vorreiter und Ehrenmann. Der unermüdliche Idealist wurde im Widerstandskampf gegen das geplante Kernkraftwerk Kaiseraugst bei Basel 1975 und durch die partielle Kernschmelze des Atomkraftwerkes Three Mile Island bei Harrisburg, USA, 1979 umweltpolitisch sensibilisiert. Im selben Jahr war er Gründungsmitglied des Verkehrs-Clubs der Schweiz VCS, später dann gründete er selbstständig den Club der Autofreien CAS.

Anfang 2014 wurde der CAS als neue Gruppe „autofrei leben“ in den VCS integriert. Die Kräfte können so besser gebündelt werden, um die Vorzüge eines autofreien Lebens bekannter zu machen und autofrei lebende Menschen miteinander zu vernetzen und zu bestärken. Beat von Scarpatettis Verkehrs-Vision für die Welt von morgen lautet: Genereller Fussgängervortritt ab sofort. Nebeneffekt: Alle Verkehrsschilder würden überflüssig, denn: „Wer Visionen hat, braucht keinen Arzt, sondern Verbündete, Streiter und Mitstreiter – und Wertschätzung“.

Beat von Scarpatetti ist der Meinung, ein CO2-freies Leben müsse honoriert werden – statt geländegängige Allradfahrzeuge im Alltag zu bewundern. Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Diese Statussymbole sind für ihn endgültig passé. Status muss einen neuen Wert bekommen. Das Auto ist jedenfalls aus Sicht von Beat von Scarpatetti das Hinterletzte, egal, ob es sich um einen Porsche Cayenne handelt oder den Tesla Roadster, den Ferrari unter den Elektroautos. Ob wir mit selbst geerntetem Obst und Gemüse oder einer grossen Auszeit zu Hause angeben: Downshifting oder Downsizing muss endlich zum ultimativen Statussymbol werden.

Wir sind eine neue Elite

Beat von Scarpatetti

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Für ihn ist es eine Sache der Ehre, den ganzen Konsum- und Verschwendungsballast nicht mitzutragen und sich dem Mainstream zu verweigern. So wird Violinist von Scarpatetti im September selbstverständlich mit Bahn und Schiff zum Auftritt seines Orchesters auf den Peloponnes nach Griechenland fahren. „Wir haben Gestaltungsmacht“, mehr noch, „wir sind eine neue Elite“, sagt Beat von Scarpatetti. Er meint uns Menschen hier in diesem Land, uns, die nicht krank, verarmt oder anderen Widrigkeiten ausgesetzt sind, die Gestaltungselite. „Wir Europäer haben, global betrachtet, den mit Abstand grössten Handlungsspielraum. Jeder kann Position beziehen und ausstrahlen: Wer kann, geht voran.“

Der Mitbegründer von Ökostadt Basel und der Ökogemeinde Binningen fordert seit Jahrzehnten dazu auf, den eigenen Handlungsspielraum zu nutzen. Denn: Das Wissen ist omnipräsent, wir wissen genau, dass wir handeln müssen. Das Bevölkerungswachstum nimmt drastisch zu, die Ressourcen und der Lebensraum nehmen drastisch ab.

Dabei ist Beat von Scarpatetti kein Naturwissenschaftler, sondern promovierter Historiker und einer der wenigen, die noch alte Handschriften lesen und transkribieren können. Aktuell ist er auf Anfrage der Universität Bern tätig, weil die mittelalterlichen Schriften zur Hochwassergeschichte für die Klimageschichte wertvollen Aufschluss geben. Der Schöngeist, der viel Zeit in der Universitätsbibliothek Basel verbringt, sieht seinesgleichen in der Pflicht. Denn die Humanwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen sind Übersetzerinnen und Übersetzer der Probleme in Lösungen. Sie haben unter anderem berechnet, was getan werden muss, damit zum Beispiel die Zwei-Grad-Limite eingehalten werden kann. Doch viel zu viele ziehen sich in ihr stilles Kämmerlein, in den Elfenbeinturm oder in ihre beratende Funktion zurück. Stattdessen muss die Wissenschaft endlich in Opposition gehen zur herrschenden Denkrichtung und sie muss der Nachhaltigkeit die erforderliche Priorität einräumen. Viel zu viele Forscherstimmen sagen leise „man müsste mal“, statt laut und hörbar zu rufen: „Stopp, es muss anders laufen!“ Oder mit den Worten von Al Gore: „Wir haben die seltene Chance, eine gemeinsame und verbindende Aufgabe zu bewältigen, und das im Hochgefühl eines überzeugenden moralischen Ziels.“

Publiziert im August 2015

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